Die Ausgewiesenen

Foto: © Frank Gaudlitz

In jenem Chişinăuer Flüchtlingsheim, in dem hauptsächlich Roma aus der Ukraine untergebracht sind, treffen wir eine Gruppe von Menschen, die wir nicht am Radar gehabt hatten. Es handelt sich um vier Männer und drei Frauen mit nichtukrainischer Staatsbürgerschaft, die in den letzten Monaten aus der Ukraine ausgewiesen wurden. Die meisten von ihnen hatten sich zuvor selbst an die ukrainischen Migrationsbehörden gewandt, um ihren Aufenthalt zu legalisieren. Offenbar aus einer Vorahnung heraus, denn sie hatten teils jahrelang ohne die nötigen Papiere im Land gelebt.

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Bevölkerungsgruppen

Otaci. Foto: © Frank Gaudlitz
In Otaci
Foto: © Frank Gaudlitz

Die Moldau lag für lange Zeit abseits der Aufmerksamkeit von Medienvertretern. Journalisten und Touristen, die hierher finden, sind fasziniert von einer oft verklärten romanisch-slawischen Mischkultur, die das Land auf seinen 34.000 Quadratkilometern zu bieten hat. Mit Abstand den größten Teil stellt die rumänischsprachige Bevölkerung dar, mit einem Anteil von rund 80 Prozent. Sie identifiziert sich ganz überwiegend als „moldauisch“, und nur zu einem kleinen Teil als „rumänisch“.

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Grenzen und Nachbarn

Flüchtlingsheim in Chişinău  | Foto: © Frank Gaudlitz
Flüchtlingsheim in Chişinău
Foto: © Frank Gaudlitz

Die Republik Moldau grenzt im Norden, Osten und Süden an die Ukraine, und zwar an die drei Oblasti Czernowitz, Wynnicja und Odessa. Den Meerzugang hatte man im Jahr 1940 verloren, als Stalin den Budschak der Ukraine zuschlug. Im Westen, den Pruth entlang, grenzt die Moldau an Rumänien. Annähernd parallel dazu, aber 50 bis 100 Kilometer in östliche Richtung entfernt, fließt der Nistru, Dnister oder Dnjestr dem Schwarzen Meer entgegen. Die drei Namen illustrieren die schwierige politische Gemengelage, vielleicht ist das der Grund, warum in Online-Karten der alte griechische Variante Tyra auftaucht. Er trennt das moldauische Kernland vom schmalen Landstreifen der russlandhörigen Separatistenrepublik Transnistrien.

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Sofia B.

Der Fluchtbericht stammt nicht von den abgebildeten Personen.

Ekaterina N., 36 Jahre mit ihren Kindern Yuliana, 9 Jahre, und Miroslav, 2 Jahre, aus Odessa im Haus ihres Schwiegervaters. Foto: © Frank Gaudlitz
Ekaterina N., 36 Jahre mit ihren Kindern Yuliana, 9 Jahre, und Miroslav, 2 Jahre, aus Odessa im Haus ihres Schwiegervaters.
Foto: © Frank Gaudlitz

Sofia B.

Sofia B. aus dem besetzten Cherson und ihr erwachsener Sohn umrundeten halb Osteuropa, um letztendlich der russischen Einflusssphäre zu entkommen. Da die neuen Machthaber 18- bis 35-jährigen Männern die Ausreise in ukrainisch verwaltetes Gebiet untersagten, blieb als Ausweg für sie nur eine gebuchte Busreise über die Krim (Filtrationslager Armjansk), Russland, das Baltikum und Polen – mehr als 4.700 Kilometer in sieben Tagen. Davon wartete man allein drei Tage lang am Grenzübergang zwischen Russland und Estland auf die Ausreise, mit rund 1.000 anderen und unter freien Himmel. Nach dem Ankommen auf der Krim habe man in Armjansk ein Filtrationslager durchlaufen, vor allem Männer wurden unter die Lupe genommen, doch auch sie kam an die Reihe. Sie habe aus ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Referendum keinen Hehl gemacht. Die Unerschrockenheit dieser Frau beeindruckt mich. Man ließ sie passieren. Anfang Oktober erreichte Sofia schließlich die Kleinstadt Edineţ im Norden der Moldau. Hier traf sie ihre Mutter wieder, die Cherson mehrere Monate früher verlassen hatte.

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Donduseni

Von Paulus Adelsgruber

Flüchtlingsheim in Donduseni | Foto: © Frank Gaudlitz, 2023
Flüchtlingsheim in Donduseni
Foto: © Frank Gaudlitz

Das staatliche Flüchtlingsheim in der Bezirksstadt Donduseni ist nicht nur für die Bewohner ein Glücksfall in diesen schweren Tagen. Mit so einer Offenheit und positiven Stimmung hatten wir an einem Ort wie diesem nicht gerechnet. Die Geflüchteten (auch hier vor allem Frauen mit Kindern) stellten sich beinahe an, um mit uns in Kontakt zu kommen und fotografiert zu werden.

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Unterwegs

Von Paulus Adelsgruber

Tamara C., 79 Jahre, aus Sokirjany, Rayon Czernowitz
Foto: © Frank Gaudlitz

Von Otaci geht es nach Edineţ, hier vermittelt uns die NGO Areap Kontakte zu Privathäusern und zwei Wohnheimen. Die Menschen, die wir treffen, stammen unter anderem aus Charkiw, Chmelnyzkyj und Cherson. Die 79-jähre Tamara Z. aus der Oblast Czernowitz ist im Haus von Verwandten im Dorf Șofrîncani bei Edineţ untergebracht, in der Nähe des Enkels. Einer ihrer Söhne war in der Sowjetzeit Matrose bei den U-Boot-Verbänden in Sewastopol, sie hält sein Soldatenbild in die Kamera. Ihre Betroffenheit ist groß: „Im Krieg bin ich geboren, im Krieg werde ich vielleicht sterben“. Ein paar Straßen weiter lebt Elena K. aus Charkiw. Sie kennt das Dorf gut, hat sie doch als Frau eines hiesigen Landwirts periodisch hier gelebt. Dieser hat sie allerdings zu Corona-Zeiten verlassen, als sie in der Ukraine festsaß. Immerhin konnte sie nun im leerstehenden Haus von Freunden unterkommen und wird auch vom Exmann unterstützt.

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In den Norden, nach Otaci

Von Paulus Adelsgruber

An der Straße von Chișinău nach Otaci. Foto: © Frank Gaudlitz
An der Straße von Chișinău nach Otaci.
Foto: © Frank Gaudlitz

Die Straße bis Soroca ist in perfektem Zustand, sie wurde 2015 von den USA finanziert. Das Anschlussstück bis Otaci ist noch eine Holperpiste, ein Finanzie-rungsentwurf des IWF liegt am Tisch. An der Weggabelung kaufen wir bei Straßenhändlern einige Paprika und Äpfel. Ukrainische Flüchtlinge gäbe es in ihrem Dorf derzeit nicht, früher ja, aber man habe schlechte Erfahrungen gemacht – sie halten doch nur die Hand auf und wollten nichts arbeiten, redet sich der beeinträchtigt wirkende Verkäufer in Rage.

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Chişinău

Von Paulus Adelsgruber

Flugzeug in Chişinău. Foto: © Frank Gaudlitz, 2022
Flugzeug in Chişinău
Foto: © Frank Gaudlitz, 2022

In der Hauptstadt Chişinău bin ich mit dem österreichischen Historiker Paulus Adelsgruber verabredet, der seit vier Jahren an der Staatlichen Universität der Moldau und der Staatlichen Pädagogischen Universität „Ion Creangă“ lehrt.

Gemeinsam wollen wir uns auf einen Streifzug entlang der moldauisch-ukrainischen Grenze begeben.

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