In jenem Chişinăuer Flüchtlingsheim, in dem hauptsächlich Roma aus der Ukraine untergebracht sind, treffen wir eine Gruppe von Menschen, die wir nicht am Radar gehabt hatten. Es handelt sich um vier Männer und drei Frauen mit nichtukrainischer Staatsbürgerschaft, die in den letzten Monaten aus der Ukraine ausgewiesen wurden. Die meisten von ihnen hatten sich zuvor selbst an die ukrainischen Migrationsbehörden gewandt, um ihren Aufenthalt zu legalisieren. Offenbar aus einer Vorahnung heraus, denn sie hatten teils jahrelang ohne die nötigen Papiere im Land gelebt.
Das betraf die 64-jährige Svetlana aus dem Oblast Dnipro, selbst Tochter eines Ukrainers: „Ich wurde in der Ukraine geboren und habe an der Charkiwer Universität Maschinenbau studiert. Den Großteil meiner Berufsjahre verbrachte ich im Süd-Ural und Belgorod, also im heutigen Russland. Und kam so zum russischen Pass. Die letzten neun Jahre habe ich wieder durchgehend in meiner ukrainischen Heimatstadt gelebt um meinen mittlerweile 92-jährigen Vater zu pflegen. Die Ausweisung war für mich ein Schock, ich konnte das nicht glauben. Zwar hat die Richterin angedeutet, dass sie zu einem Kompromiss bereit wäre, doch die Leiterin der Migrationsbehörde bestand auf der Ausweisung. Der Moldau bin ich dankbar für die Unterbringung, ich versuche aktiv zu bleiben und lerne Rumänisch. Ich wünsche mir nichts anderes, als so schnell wie möglich wieder zu meinem Vater zurückkehren zu können.“
Wir lernen vier Männer zwischen 35 und 45 Jahren kennen, sie haben russische, aserbaidschanische und usbekische Pässe und lebten in Dnipro und Odessa. Sie zeigen sich als Anhänger der Ukraine, ihre Frauen, darunter Ukrainerinnen, und Kinder mussten sie zurücklassen. Einer der Männer ist tschetschenischer Abstammung, er kämpfte vor einigen Monaten noch auf Seiten der ukrainischen Armee: „Russland ist ein terroristischer Staat, ich habe Selenskyj vier Mal um die ukrainische Staatsbürgerschaft gebeten, aber vergeblich. Wir haben bei Charkiw gekämpft, im Bataillon des Scheich Mansur, zu Beginn waren wir 200, dann nur noch 20 Kämpfer. Ich lebte seit 2016 ständig in der Ukraine. Frau und Kinder sind in Dnipro geblieben.“
Und Sergej aus Odessa: „Ich bin zum Militärkommissariat gegangen, um mich als Freiwilliger zu melden, doch die glaubten, dass ich scherze, weil ich ja einen russischen Pass habe. Ich bekam die Anordnung, das Land zu verlassen, ich hatte keine Aufenthaltserlaubnis. Innerhalb der Frist bin ich nach Kiew gefahren, habe es trotz russischen Pass geschafft, 19 Kontrollposten zu passieren und mich bei der Einheit „Freies Russland“ zu bewerben. Aufgrund meines Alters wurde ich abgelehnt. Daraufhin saß ich anderthalb Monate im Abschiebegefängnis Martyniwka und habe meine jetzigen Kollegen aus Usbekistan und Azerbaidschan kennengelernt. Ich will nach Odessa zurück und bin bereit für die Ukraine zu kämpfen.“