Kutaisi – Eriwan

Nikolaj, 40 Jahre, aus St. Petersburg. Foto: © Frank Gaudlitz
Nikolaj, 40 Jahre, aus St. Petersburg
Foto: © Frank Gaudlitz

Wir begannen unsere Fotoreise in Kutaisi und beendeten sie in Eriwan.

In Kutaisi habe ich es nicht geschafft, meinen Bekannten Alexander zu sehen – einen Dokumentarfilmer aus Russland, dessen Familie ihn nach Ankündigung der Mobilmachung buchstäblich aus St. Petersburg „vertrieben“ hatte. Unglaublicher Weise traf ich ihn in Eriwan, wo er seine Frau und sein Kind abholte, die eine Woche lang zu Besuch kamen. Alexander hatte Angst, dass man ihn nicht nach Georgien zurückkehren lässt, er hatte Angst, dass er sich nach so langer Trennung mit seiner Frau streiten könnte, und er befürchtet, dass er nicht mehr beruflich arbeiten kann.

Einer seiner Dokumentarfilme erzählt die Geschichte der Duchobors (Geist-Streiter), einer Gruppe von Christen, die den Ritualismus der russisch-orthodoxen Kirche ablehnten und ideologisch den englischen Quäkern nahe standen. Um 1830-1840 wurden viele von ihnen in das heutige Georgien und Aserbaidschan vertrieben, in Dörfer, die noch heute slawische Namen tragen. Ihre Gruppen wurden weiterhin verfolgt und erhielten im späten 19. Jahrhundert unerwartete Unterstützung von Leo Tolstoi und seinen Freunden, die eine Kampagne in der russischen und internationalen Presse organisierten und die Verfolgung der Duchobors mit der Verfolgung der frühen Christen verglichen. Leo Tolstoi versprach, den hungernden duchoborischen Bauern alle Einkommen zukommen zu lassen, die er in den Theatern für die Aufführung seiner Stücke erhielt. Die Einkommen für den Roman Auferstehung schenkte er einer Gemeinde in Georgien, womit etwa ein Drittel der Gemeinde (etwa 7 500 Menschen) nach Kanada emigrieren konnten.

Alexander erzählte uns die Geschichte des Filmes spät in der Nacht in einem kleinen Garten im Zentrum Eriwans. Im Haus, das eher einer Datscha glich, wohnte ein politischer Aktivist aus dem Iran und eine politische Aktivistin aus Russland mit ihrer schwangere Katze. Sie luden uns zu Granatapfelwein und Armenisch-Syrischem Essen ein. Die Gespräche des Abends drehten sich immer wieder um Grenzen, Migration, Übersiedlung und die Geschichte ihrer Länder. Für viele Gäste des Abends stand die Entscheidung bevor, wo und wie sie in den kommenden Monaten leben wollen und können. Spät in der Nacht, nachdem wir gegangen waren, teilte mir die Gastgeberin per Nachricht mit, dass ihre Katze Drillinge zur Welt gebracht hat.

Und Alexander durfte wieder nach Georgien einreisen…

Flüchtlingswohnheim in Tiflis. Foto: © Frank Gaudlitz
Flüchtlingswohnheim in Tiflis
Foto: © Frank Gaudlitz

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