Chişinău

Von Paulus Adelsgruber

Flugzeug in Chişinău. Foto: © Frank Gaudlitz, 2022
Flugzeug in Chişinău
Foto: © Frank Gaudlitz, 2022

In der Hauptstadt Chişinău bin ich mit dem österreichischen Historiker Paulus Adelsgruber verabredet, der seit vier Jahren an der Staatlichen Universität der Moldau und der Staatlichen Pädagogischen Universität „Ion Creangă“ lehrt.

Gemeinsam wollen wir uns auf einen Streifzug entlang der moldauisch-ukrainischen Grenze begeben.

Frank hat Glück. Gerade erst aus dem Flugzeug ausgestiegen, springt ihm ein Demonstrationszug der Shoristen vor das Objektiv. Plakate vor sich hertragend, schleppen sich vor allem Pensionisten und vom Leben Gezeichnete über den breiten Gehweg vor dem Parlament, dort wo seit Mitte September eine Zeltstadt der Unzufriedenen errichtet wurde. Dynamische Jungs weisen Sie ein, bilden ein Spalier, damit keiner auf den Stefan-der-Große-Boulevard tritt. Es folgt die Rede eines Einpeitschers: „Präsidentin Maia Sandu muss weg! Die Preise steigen jeden Tag, Gas war bei sieben Lei und jetzt sind es 30! Vorgezogene Wahlen jetzt!“

Die Unzufriedenheit im Land ist real – viele Menschen haben angesichts der Inflation und steigender Gaspreise berechtigte Sorge vor dem kommenden Winter. Und doch sind die Demonstranten bezahlt – die Partei von Ilan Shor, der sich vor den moldauischen Gerichten in Israel versteckt, hat sich eine Gruppe Bedürftiger eingekauft. Die meisten stammen aus Orhei, wo Shor einst Bürgermeister war und einen guten Ruf genießt. Nun sind sie im Zentrum der Hauptstadt gestrandet und übernachten bei herbstlichen Temperaturen in Zweimannzelten. Abends vermischt sich vor dem nahen Gastro- und Kinokomplex Patria die Fortgehszene mit erschöpften Bewohnern der Zeltstadt.

Wenige Tage später wird die Polizei durchgreifen, die Zeltstadt wird geräumt. Das alles ist ein Vorgeschmack auf das, was in der kalten Jahreszeit noch kommen könnte, wenn erst die einflussreichere Partei der Sozialisten zu Protesten aufrufen sollte. Die regierende Partei PAS sieht hinter den Protesten den langen Arm Russlands – just eine Woche vor den Beginn der Proteste waren Vertreter der Sozialisten und Shor in Moskau gewesen.

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