Anna N., 31 Jahre

Die Namen wurde aus Sicherheitsgründen geändert.

Sergei K., 36 Jahre, Natalia P., 36 Jahre und Warja K., 8 Jahre, aus Moskau. Foto: © Frank Gaudlitz
Sergei K., 36 Jahre, Natalia P., 36 Jahre und Warja K., 8 Jahre, aus Moskau
Foto: © Frank Gaudlitz

Wir lebten in Wolgograd und die endgültige Entscheidung, Russland für immer zu verlassen, fiel, als Navalny im Jahr 2021 ins Gefängnis kam. Wir hatten uns ein ganzes Jahr lang darauf vorbereitet, in die USA auszuwandern und in diesem Moment, als wir schon so konkrete Vorbereitungen getroffen hatten, begann der Krieg, und all unsere Pläne und Träume zerschlugen sich. Aber es war uns klar, dass wir definitiv nicht in diesem Land bleiben würden, und plötzlich wurde es dringend… Wir verkauften unser Auto und schafften es, Tickets zu kaufen, ließen einfach alles stehen und liegen und gingen weg, mit zwei Koffern und zwei Kindern.

Wir gingen nach Georgien, obwohl wir diese Option in unserem Leben nie in Betracht gezogen hatten, aber es war die einzige Möglichkeit, ohne Geld und ohne Visum irgendwohin zu gehen, wo es ein Bildungsumfeld für unsere Kinder gab und wo wir vielleicht einen Job finden konnten. Wir arbeiteten nicht in der Ferne, im Netz, wir hatten keine Möglichkeit, Geld zu verdienen, wir waren keine Freiberufler und wir hatten ein russischsprachiges Kind, das im Jahr 2022 in die erste Klasse eingeschult werden sollte, also entschieden wir uns für Georgien, es gab keinen anderen Ort. Zwar wäre auch Armenien möglich gewesen, aber wir haben es nicht in Betracht gezogen, weil Armenien unserer Meinung nach ein Bruderverhältnis zu Russland hat. So sind wir hier gelandet.

Wir sind direkt von Wolgograd nach Eriwan geflogen, dann mit dem Zug nach Tiflis. Am 14. April sind wir abgeflogen, und am 15. April kamen wir in Tiflis an, ohne Unterkunft, ohne Kommunikation, ohne Freunde, ohne Arbeit, ohne alles.

Am Anfang hatte ich Angst, war zwischen Himmel und Erde, weil ich nicht laut verkünden konnte, dass wir Russland für immer verlassen. Weil die Möglichkeit besteht, dass wir zurückgehen müssen. Im Prinzip ist das immer noch die größte Angst.

Schließlich haben wir einen Job gefunden, mein Mann, ein ehemaliger Tontechniker, hat hier angefangen, Reparaturen zu machen, zuerst als Bauarbeiter, so bekamen wir etwas Geld. Dann habe ich einen Job in einem ausländischen Umfeld gefunden. Ich bin Kulturschaffende und Lehrerin. Ich habe hier einen Job im Bildungsbereich (Bildung für Migranten). Mein Mann hat sich in seinem Job verbessern können, er ist jetzt selbständig. Er und sein Partner renovieren Wohnungen. Bisher reicht es. Geholfen hatte auch, dass wir das Auto verkauften. Das hat für die Fahrkarten und die erste Monatsmiete gereicht. Die Angst, dass wir unser Leben nicht bezahlen können, besteht noch immer und trotzdem ist alles einfacher als befürchtet.

Wir haben uns an diesen Zustand gewöhnt und könnten hier fast glücklich sein, wenn wir nicht mit dem Gedanken aufwachen und schlafen gehen müssten, dass unser Land tötet. Zum Beispiel am Jahrestag des Krieges gab es wieder eine Depression, aus der wir uns jetzt im Frühjahr gerade erst befreien. Emotional ist es stürmisch, aber im Prinzip geht es uns hier gut. Es geht uns hier viel besser als dort.

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